Dienstag, 20. April 2010

Pacific Crest Trail: Ein Wanderweg von Mexiko nach Kanada

Spring Break, die Frühlingsferien, sind vorbei hier in Topanga. Ein guter Grund mal wieder etwas zu schreiben, denn wir haben in den Frühlingsferien den Pacific Crest Trail in Angriff genommen. Doch der Reihe nach...

Der Pacific Crest Trail (PCT)
Per Zufall entdeckte ich 2007 den Pacific Crest Trail. Um meine Photos anzuschreiben und zu sortieren benütze ich (nebst iPhoto) seit längerem eine kleine Hilfs-Software geschrieben von einem Neuseeländer namens Craig Stanton. Irgendwann im Frühling 2007 hatte ich ein Problem und schrieb deshalb Craig ein Email. Es kam umgehend eine Antwort zurück er sei eine halbes Jahr in den USA am wandern, auf dem Pacific Crest Trail. "WAS???" Dachte ich... "Wie kann man ein halbes Jahr wandern??" und: "Gibts überhaupt so lange Wanderwege? So geil, will auch!". Die Antwort: Ja das gibt es, der Pacific Crest Trail (Englische Version von Wikipedia hat mehr Info) bzw. PCT ist einer davon und gilt bzw. galt als der längste durchgehende Wanderweg der Welt.

Der PCT beginnt an der Mexikanischen Grenze und endet an der Kanadischen Grenze. Er ist insgesamt 2650 Meilen bzw. 4260 km lang, durchquert die Staaten Kalifornien, Oregon und Washington und geht durchgehend durch die Wildnis entlang der Krete zwischen dem Pazifik auf der einen Seite und der Wüste auf der anderen Seite. Er folgt ziemlich genau den höchsten Bergen den USA entlang und durchquert beim Yosemite den mit 4009m hoch gelegenen Forrester Pass als höchsten Punkt des Trails. Gleich daneben liegt der Mt. Whitney, mit 4421. der höchste Punkt der USA (ohne Alaska).

Auf dem PCT ist man also grösstenteils in unberührter Wildnis, es gibts keine Hotels oder Hütten, geschlafen wir immer draussen. Es gibt keine Restaurants oder Cafes, man muss immer gut planen wo man Essen kriegt und wo man Wasser filtern kann. So kommt es vor, dass man beispielsweise in der Sierra Nevada Essen für 10 Tage und mehr schleppen muss. Hier muss der "Hiker" deshalb genau planen was er wann wo isst und wieviele das essen wiegt, denn ein Mensch kann nur eine begrenzte Anzahl Kilos schleppen.

Ich will den PCT hiken!!!
Zurück zu 2007, dem Jahr in welchem ich Craig Stantons online Tagebuch verfolgte und anschliessend fand: ich will auch!!! Zufälligerweise eröffnete mir Seraina genau in dieser Zeit, dass sie nach Kalifornien müsste für ihre Dissertation. Ein Jahr wäre gut... So kam es, dass wir uns 2008 entschieden nach Los Angeles zu ziehen für ein Jahr. Ich hatte die Möglichkeit Teilzeit für die Uni Zürich weiterzuarbeiten sowie ein halbes Jahr unbezahlten Urlaub zu nehmen. In diesem halben Jahr wollte ich den PCT hiken, so mein Plan im letzten Jahr.

Als wir dann hier in Kalifornien ankamen merkte ich, dass es hier so viel cooles zu tun gibt, so viele coole Bike-Trails zum erforschen, nette Leute zum kennenlernen, coole Bands zu entdecken and last but not least: So viel schöne Zeit zum verbringen mit Seraina und Josiah. Es wäre schade gewesen ein halbes Jahr weg von Topanga zu sein und alleine irgendwo zu laufen. Irgendwie hatte ich keine Lust mehr auf das, vielleicht auch weil ich schon zuviele Bücher darüber gelesen hatte, über den tagelangen Regen in Oregon und Washington, über den tagelangen Marsch durch Schnee in der Sierra Nevada, über den tagelangen Marsch durch monotone Wald-Monokulturen mit kilometerlangen Forstrassen oder durch trostloses abgebranntes Gebiet. Ich entschied mich kein "Through-Hiker" zu werden sondern ein "Section-Hiker". Das heisst, ich wollte nur gewisse Abschnitte wandern, vor allem natürlich jene in der Nähe von Los Angeles weil diese:
a) Relativ nah von Topanga gelegen sind (wegen Hin- und Rückreise)
b) oft durch die Wüste gehen und somit landschaftlich sehr reizvoll und anders als die Schweiz

Yosemite und so sind auch schön aber es sieht extrem ähnlich aus wie die Schweiz, die Anza Borrego oder Mojave Wüste hingegen sind etwas völlig anderes. Siehe dazu meine Fotos hier! So machte ich mich schlau darüber welche Teile besonders schön oder abwechslungsreich oder wild sind und mein Plan ist bis zu Josiah's Sommerferien zumindest den Teil in Südkalifornien zu laufen. Bis Kennedy Meadows sind das schon mal knapp 1200 km und somit ein rechtes Stück. Anschliessend steigt man auf in die Sierra Nevada bis 4000m und da in dieser Gegend bis im Juli Schnee liegt, ist es eh nicht sinnvoll vor den Sommerferien (beginnen hier Mitte Juni) in dieses Gebiet zu gehen (ausser mit Schneeschuhen aber dann ist man zu langsam um die Sierra durchqueren zu können und zu wenig Essen dabei...). Ob ich dann in den Sommerferien mit/ohne Josiah/Seraina noch weiterwandern werde ist noch unklar. Zuerst mal die ersten tausend Kilometer und dann weiterschauen ob mich der Virus packt.

PCT: Der Südkalifornische Teil
Hier eine Karte zum kalifornischen Teil des PCT. Man beginnt in einem Kaff in der Wüste namens "Campo" gleich bei der berüchtigten Mauer zu Mexiko. Die Amerikaner haben ja begonnen eine Mauer entlang der US-Mexikanischen-Grenze zu bauen. Ein völliger Anachronismus in meinen Augen und weltfremd ebenso, denn a) kommen Latinos trotzdem in die USA und b) würde die US-Wirtschaft zusammenbrechen ohne die Taglöhner, Putzfrauen, Babysitter, Bauarbeiter, Früchtepflücker etc. die für $5 die Stunde all jene Arbeiten machen für die sich die Amis zu schade sind. Anyway, von Campo aus gehts alles in Richtung Norden bis nach Kanada. Zuerst ein bisschen rauf die Mount Laguna Berge, dann runter in die Anza Borrego Wüste, dann wieder rauf ins über 3000m höhe Mount Jacinto Gebrige, wieder runter in die Wüste bei Palm Springs, wieder rauf vorbei am Skigebiet Big Bear, dann wieder runter in die Mojave Wüste und erst dann gehts richtig rauf in die Sierra Nevada. Hier eine Abbildung des Höhenprofils der ersten paar hundert Kilometer des Pacific Crest Trails, also jenes Teils den ich bis Mitte Juni machen möchte. Bitte beachten, dass die Höhenangaben in Fuss (Y-Achse) bzw. Längenangaben in Miles (X-Achse) und nicht in Meter angegeben sind. Man kann als Faustregel Fuss durch drei teilen und erhält Meter und man kann Miles mit 1.6 multiplizieren und erhält Kilometer. Der rote Teil ist jener Teil in welchem es im Sommer 2009 gebrannt hat und der bis jetzt noch immer geschlossen ist für Wanderer. Alternativen gibts aber die sind meist der Strasse entlang, also für mich wenig spannend. Das ganze Segment 3 kommt für mich momentan deshalb nicht in Frage, was ein bisschen schade ist, denn grösstenteils wäre man hier durch den Los Angeles Nationalforst gewandert was einerseits sehr schön sein soll (zumindest vor dem Waldbrand) und andererseits wäre das grad das Stück gewesen welches am nächsten von meinem zuhause in Topanga liegt. Janu...



Frühlingsferien: Von der Grenze nach Mount Laguna
Die ersten ca. 200 Kilometer geht man meistens durch Wüsten- bzw. Chaparal-Gebiet. Eigentlich ideal im März oder frühen April (im Mai kann es da schon gegen die 40 Grad gehen!), doch für die meisten PCT-Hikers zu früh um loszulaufen, denn die nachfolgenden San Jacinto Berge sind dann noch dick eingeschneit. Deshalb beginnen die meisten Hikers erst Ende April an der Grenze und zwar am sogenannten "PCT-Kickoff". Dazu mehr später.

Da ich ja nicht an einen Zeitplan gebunden bin kann ich jede Sektion dann machen wenn es von der Vegetation (Stichwort "blühende Wüste") und den Schneeverhältnissen her am besten ist. So schlug ich vor, dass wir als Familie den PCT gemeinsam an der Mexikanischen Grenze beginnen und ein paar Tage gemeinsam nach Norden laufen. Der erwartete Proteststurm blieb aus und so einigten wir uns Ende März gemeinsam in Campo loszulaufen. Zu dieser Zeit waren grad Micha und Oriana mit ihrem Baby Mila zu besuch und gemeinsam mieteten wir für ein paar Tage eine Hütte in Julian, einem alten Goldgräber-Kaff etwa eine Stunde nördlich der Grenze. So konnten wir unser Auto in Julian lassen und Micha fuhr uns am Sonntag 28. März nach Campo an die Grenze wo wir gegen Mittag losliefen und unser PCT-Abenteuer offiziell begann:

Wir liefen insgesamt vier Tage gemeinsam bis nach Mount Laguna als ein Schneesturm unsere Wanderung unterbrach. Mit Glück kamen wir noch vor dem Regen/Schnee zu unserem Auto und fuhren schnurstracks runter in die blühende Anza Borrego Wüste! Nach ein paar Tagen Erholung und Auto-Camping-Ferien musste Josiah zurück in die Schule und Seraina an die Arbeit. Nur ich blieb zurück und setzte alleine meine PCT-Wanderung fort. Nach ein paar Tagen holte mich aber ein zweiter Schneesturm ein und so blieb es vorerst bei etwas mehr als einer Woche PCT-Hiking.

Mein PCT-Tagebuch und wie es weitergeht
Ich will hier nicht jeden Tag im Detail erläutern, dazu habe ich nämlich eine zweite Website mit meinem PCT-Webtagebuch: pct2010.org. Auf dieser Seite findet ihr zu jedem Tag Fotos und einen Text auf Englisch sowie Deutsch. Hier die direkten Links zu den ersten paar Tagen:
  1. Tag: Start in Campo an der Mexikanischen Grenze
  2. Tag: Zum Lake Morena Campground
  3. Tag: Ein letzter sonniger Tag in der Wüste
  4. Tag: Grad noch rechtzeitig vor dem Schnee rauf nach Mount Laguna
  5. Tag: Nach einer Pause alleine weiter auf dem PCT nach Warner Springs
  6. Tag: 30 Kilometer alleine durch die Anza Borrego Wüste
  7. Tag: Im Regen durch die Wüste bis knapp an die Schneefallgrenze
Der letzte Tag war ein wirklicher Scheisstag. Sehr windig in der Nacht und da ich ohne Zelt dafür nur mit einer Blache unterwegs bin (ein Zelt wäre zu schwer) wars laut und nicht ganz trocken. Am Morgen nieselte es dann noch, später kam aber kurz die Sonne zum vorschein. Leider kurz und je höher ich kam, desto mehr regnete es. Ich rief Seraina an und erfuhr, dass es weiter oben schneite. So entschied ich mich am 7. Tag meine Wanderung vorzeitig abzubrechen und nach Topanga zurückzukehren. Ich würde zurückkommen wenn der Schnee in den Bergen geschmolzen ist. Mit viel Glück fand ich noch gleichentags einen kanadischen Touristen ohne bestimmtes Ziel der mich bis nach Hause fuhr. Mehr dazu in meinem Tagebuch. 

Dieses Wochenende vom 23. bis 25. April findet nun auf dem Lake Morena Camping das alljährliche PCT-Kickoff - oder wie es offiziell heisst "Annual Day Zero Pacific Crest Trail Kick Off (ADZPCTKO)" - statt. An diesem Wochenende treffen sich rund 400 bis 500 PCT-Freaks, rund die Hälfte davon sind sogennante Thru-Hikers die bis nach Kanada wollen. Um den gesamten PCT in einem Jahr ganz machen zu können muss man früh genug gehen um nicht in der Wüste zu verbraten und auch früh genug in Kanada ankommen bevor Ende September der erste Schnee kommt. Andererseits muss man spät genug gehen um in den San Jacinto Mountains bei Los Angeles oder später in der Sierra Nevada beim Yosemite bzw. Mammoth Lakes (wo übrigens bis anfangs Juli Ski gefahren wird!) nicht im Schnee stecken zu bleiben. Der ideale Zeitpunkt ist somit Ende April und deshalb findet das Kickoff-Treffen genau dann statt.

Mir fehlen vom ersten Segment (siehe Abbildung oben) noch zwei bis drei Tage von Mt. Laguna nach Warner Springs. Ich werde diese nach dem Kickoff machen und anschliessend muss ich schauen wo ich wandern werde. Das zweite Segment geht durch tief verschneite Berge und gerade heute und Morgen scheint es nochmals neuen Schnee zu geben. Einem Bericht vom Wochenende zufolge braucht man Steigesen und Pickel weil es steil ist. Dazu habe ich echt keinen Bock, ich bin nicht nach Südkalifornien gekommen um im Schnee zu wandern und campen. Segment 3 ist praktisch alles gesperrt, wandern auf der Umfahrungsstrasse kommt für mich ebenfalls nicht in Frage. Somit bleibt Segment 4 durch die Mojave-Wüste als valable Alternative und vermutlich werde ich deshalb zurück nach Topanga kommen und anschliessend von hier aus Segement 4 wandern. Wir waren vor zwei Wochen mit Natalia und Ilia dort und überall blühten Mohnblumen (siehe dazu meine Photos)! Ich hoffe davon ist noch was übrig. Mal schauen. Ihr werdet so oder so regelmässig News und Photos finden auf meinem neuen PCT-Tagebuch unter pct2010.org! Ich werde dort übrigens in Zukunft auch etwas über Camping in der Wüste, Wasser, Ausrüstung etc. schreiben. Schaut doch dort rein, falls euch das interessiert. Es gibt auch einen RSS-Feed um sich zu abonnieren.

Montag, 1. Februar 2010

Ferien in Hawaii: Kauai, die Garteninsel

Relativ spontan entschieden wir uns kurz vor Weihnachten die Ferienwoche nach Silvester auf Hawaii zu verbringen. Die Preisen sind momentan tief, wir haben ein Schnäppchen-Direktflug für rund 400.- pro Person gefunden mit dem "Nachteil", dass Josiah drei Tage zu spät zur Schule kam.

Hawaii besteht aus mehreren Inseln von denen 6 oder 7 von Touristen besucht werden dürfen. Nach Internet-Recherchen und Beratung durch Freunde entschieden wir uns für Kauai, die "Garteninsel". Ein paar Eckdaten: Kein Haus auf Kauai darf höher als eine Palme gebaut werden, keine Stadt hat mehr als 10'000 Einwohner, es hat nur eine grössere Strasse auf der Insel die nicht mal ganz rund herum führt und vor allem der Norden der Insel ist sehr sehr grün, mit viel üppigem Regenwald und unberührter Natur. Genau was wir brauchen, nix dem dem Waikiki-Honolulu-Hubba-Bubba, was mir wohl ziemlich auf den Wecker ginge...

Nervös, wie schon lange nicht mehr vor einem Flug, stieg ich am 2. Januar in LAX ins Flugzeug nach Lihue, der Hauptstadt von Kauai. Der Flug war relativ unspektakulär, denn die LAX-Startbahn geht ja direkt raus ins Meer und das ist auch alles was man die nächsten 5 Stunden sieht. Bis plötzlich, mitten im Pazifik, Kauai auftaucht. Dort angekommen stellte sich ziemlich schnell das Hawaii-Feeling ein: Aloha (Willkommen) hier, Malaho (Danke) da, ein kleiner Flughafen direkt am Meer, ohne grosse Security-Checks oder Warteschlangen, das Mietauto gefasst und nicht mal eine Stunde nach der Landung cruisen wir der tropischen Küste entlang gegen Norden.


Auf Kauai gibts, ausser in der Hauptstadt, praktisch keine Hotels. Dafür gibts umso mehr Studios, Condos und kleine Appartmants die man wochenweise mietet. Normalerweise ist über Weihnachten/Neujahr alles ausgebucht, die Preise sind horrend und wir hätten Monate im voraus via Internet irgend eine Bleibe buchen müssen die sich dann nicht als das was die Bilder versprachen entpuppt hätte. Diesen Winter ist alles anders, seit Jahrzehnten war die Auslastung nicht mehr so tief, die Amis sparen und machen Ferien auf dem Festland. Uns und unserem Reisestil kommts entgegen, denn wir machen uns erst einen Tag vor der Abreise daran Unterkünfte zu suchen und merken, dass es auf Kauai keine Hostels gibt, dass Campingplätze staatlich sind und ein Permit brauchen, welches man nur wochentags in der Hauptstadt abholen kann (und wir kamen an einem Samstag an) und es auch sonst nicht ganz so einfach ist wie wir uns das gewohnt sind. So verschicken wir noch ein paar Mails vor dem Abflug, drucken ein paar Mietobjekte aus und fahren nach unserer Ankunft in Kauai los in Richtung Priceville und Hanalei.

Für die Vermieter ist es etwas ungewöhnlich, dass die Mieter sich bereits auf der Insel befinden und anrufen "Können wir ihr Haus sehen?". Normalerweise gibts wie erwähnt Vorauszahlung, Wartelisten etc. aber eben, viele Wohnungen sind leer und von den nach Region und Preisklasse in Frage kommenden Objekten können wir am Samstag Nachmittag grad etwa 5 oder 6 anschauen gehen. Die eine Wohnung, obwohl uns die Vermieterin mit einer Preisreduktion von $250 auf $150 pro Nacht lockt, entpuppt sich als modern und luxuriös, liegt aber mitten in einer üblen Reihen-Condosiedlung, eine andere Wohnung ist etwas zu dunkel und eine dritte ist am Highway gelegen (was nicht ganz so schlimm ist wie es tönt). Der "Highway" nennt sich zwar so und ist mehr oder weniger die einzige Strasse auf der Insel, geht praktisch rund um die Insel ausser an der Na Pali Coast, dazu aber später mehr. Trotzdem ist sie ein kleines Strässchen, dass teilweise sogar nur einspurig verläuft, also gar nicht was wir uns unter einem Highway vorgestellt hatten. Trotzdem entschieden wir uns für das allerletzte Haus das wir sahen, in Wainiha praktisch am Ende der Strasse gelegen. Das Haus ist tsunamisicher auf rund 10m hohen Betonpfeilern gebaut, was den Vorteil hat, dass man perfekt über den Regenwald in die Berge sieht. Die ganze Wohnung ist ein grosser Raum mit vielen Fenstern und einem Jacuzi auf der Terasse. Was will man mehr! Ein paar Fotos von der Wohnung und der grandiosen Aussicht.



Uns gefiel es hier so gut, dass wir von unseren 10 Tagen gleich die ersten 7 hier verbrachten. Und mit $99 pro Nacht wars sogar die billigste aller Wohnungen die wir angeschaut hatten. Was will man mehr? Also, falls ihr je mal nach Kauai geht und eine Wohnung sucht, die Rainbow Villa kann ich empfehlen :-) Den Besitzer haben wir nie getroffen, doch zuständige Typ war ein "Surfer-Dude" aus Santa Cruz der hier hängen geblieben ist. Chill man!

Unsere Herberge war direkt bei Hanalei, dem "laid-back" Surfer-Kaff schlechthin. Guter Ausgangspunkt für zahlreiche Aktivitäten: Am grossen Sandstrand hängen, surfen, mit Kanu dem Hanalei-River entlang fahren, Botanischer Garten besuchen, noch mehr Strände besuchen oder einfach nur in Bars rumhängen. Es verging glaubs kein Tag ohne Piña Colada oder Mai Tai, sei es im chilligen Hanalei Dolphin Restaurant oder in der Bar des pervers teuren St. Regis Princeville in welchem wir für einen (zugegeben: spektakulären! siehe Photo) Sonnenuntergang mit ein paar Drinks gleichviel bezahlt haben wie sonst für ein Abendessen.


Mein Höhepunkt (Josiah und Seraina würden ev. etwas anderes sagen, wer weiss... aber es ist ja mein Blog :-) war aber die Wanderung der unberührten Na Pali Küste entlang bis zum Kalalau-Strand wo wir eine Nacht campierten und tags darauf zurückkehrten. Ich weiss nicht ob ihr King Kong gesehen habt, diese Szenen wo sie auf die Insel gelangen, oder Jurassic Park, wenn der Helikopter zur Insel fliegt oder auch gewisse Regenwald-Szenen in Avatar: Genau das ist die Na Pali Coast und genau so schön wie in den Filmen ist es dort auch. Normalerweise sind Permits (man braucht eine Bewilligung um weiter als die 2-Meilen-Marke zu wandern und um im State Park zu übernachten) in dieser Saison seit Monaten ausgebucht doch wir kriegten unter der Woche noch problemlos drei Permits (Wochenende waren ausgebucht). Am Donnerstag, noch vor Sonnenaugang, starteten wir im dunkeln am Nordende der Strasse beim Haena State Park und machten uns auf den 18km langen weg. Nun 18km tönen nach einer satten Wanderungen für einen Tag aber wenn dann noch rund 1500m Höhenmeter - teilweise im Schlamm - dazukommen, dann wirds richtig anstrengend. Der Weg geht zwar von einem Strand zum nächsten der Küste entlang aber er geht nie und ich meine NIE geradeaus, es geht immer rauf, einer Klippe entlang und dann runter in eine Bucht wo man meistens über einen Bach balancieren muss und dann gehts schon wieder rauf zur nächsten Bucht.








Der Trek beginnt ganz auf der Nordseite mitten im Regenwald. Ich muss vielleicht noch erwähnen, dass die Berge oberhalb der Na Pali Küste mit 12'000mm der regenreichste Ort der Welt ist! Glücklicherweise schien bei unserer Wanderung an beiden Tagen die Sonne, doch der Weg beginnt so oder so als Schlammschlacht knöcheltief im Schlamm. Nach dem ersten Strand ist der Weg offiziell nur noch für Hiker mit einem Permit zugänglich, sodass man praktisch alleine ist, denn Tagesausflügler gehen nicht weiter. Die Natur ist spektakulär, tropisch und grün, Agaven so gross wie ich sie noch nie gesehen habe, raue Klippen und ein wildes, tosendes Meer. Je weiter man nach Westen wandert desto trockener wird es, die Vegetation ändert sich, der Weg wird kleiner aber dafür staubig trocken und unter einem ist immer das tosende Meer, welches gerade im Winter hier auf der Nordseite mit 10-Meter-Wellen ziemlich rauh und spektakulär ist. Im Sommer wäre es hier ruhiger und man könnte sogar an teils Stränden baden, im Winter ausgeschlossen. Kurz vor dem Schluss jagt einem der Weg nochmals den Puls rauf, denn er geht knapp einen halben Meter breit einer Klippe entlang und gleich daneben gehts ziemlich gerade runter, auf direkt Weg ins Meer ohne Chancen auf eine Rückkehr...

Der Kalalau-Strand selbst war leider nicht existent, denn wegen dem Sturm der in den Tagen zuvor herrschte und weil es im Winter eh viel höheren Wellengang hat, kam das Wasser bis fast rauf zum Weg. An baden nach so einer langen Wanderung war nicht zu denken, Josiah und ich hielten trotzdem unsere Füsse rein aber das wars dann auch schon. Der Mix an Leuten die dort sind war sehr amüsant. Es gibt auf der einen Seite die Hippies und Neo-Hippies die zum Teil wochen- und monatelang dort leben, ab und zu mal zurück nach Hanalei wandern um einzukaufen oder bei Hikern betteln ob sie was übrig haben. Es war wirklich lustig, Hippies wie aus dem Bilderbuch, lange Haare, Bärte, oben ohne oder ganz nackt, mit Tüchern und Stoffen und Hängematten hatten einige sich fast schon sesshaft eingerichtet, kochten über grossen Feuern und schienen dort recht glücklich und zufrieden. Und dann waren da die Hiker - zu denen ich uns jetzt zählen würde - mit ihren high-tech Zelten und Dauenschlafsäcken, mit kleinen und leichten Gas- oder Benzin-Trekking-Kochern und synthetischer, leicht trocknenden Shirts und Hosen. Die Hippies verteilten sich relativ lose über die ersten knapp 1.5km wenn man von der letzten Klippe runterkommt nach Kalalau. Die Hiker/Trekker hingegen waren alle versammelt auf dem offiziellen Campingplatz ganz am Ende des Trails, praktisch gelegen bei einem Wasserfall mit sauberem Wasser und natürlich mit Toiletten. Wo kämen wir da hin... :-)

So oder so waren eigentlich alle Leute dort relativ entspannt und sympathisch, ganz so extrem wie oben beschrieben war die Segregation natürlich nicht und alle die es nach Kalalau geschafft hatten schienen glücklich und zufrieden. Wir hatten schlecht geplant oder nicht daran gedacht hier länger zu bleiben oder uns einfach schlecht informiert, jedenfalls hatten wir nur Proviant und Permit (wurde in Kalalau eh nicht kontrolliert) für eine Nacht und so gings schon tags darauf mit müden Beinen knapp 20km zurück. Das war nicht ganz ohne... Als wir fast zurück waren kamen uns die ersten Tagesausflüger entgegen und einer fragte allen ernstes: So are there many outlaws in Kalalau? Haha :-)

Das beste kam dann am Schluss: Total verschwitzt und Müde machte ich den Vorschlag noch kurz ins Meer zu hüpfen, zumindest soweit rein wie es uns sicher erschien (schwimmen war auch hier nicht möglich). Schnell umziehen, alles schnell ins Auto rein, inklusive Hosen mit Autoschlüssel, Auto zu, zack, Kofferaum zu alles verstaut und wir stehen in Badehosen ohne Geld, Handy, nix... vor dem verschlossenen Auto kurz vor Sonnenuntergang, müde und ready für ein Bad und Abendessen. Seraina war ziemlich ausser sich "Nicht schon wieder..." (Einschub: eifrige Blog-LeserInnen mögen sich an den Sommer erinnern, als ich auch kurz vor Sonnenuntergang in der Halbwüste die Schlüssel verlor...) und den Tränen nah. Auch ein ausgeliehenes Handy half nicht viel, denn es gab keinen Empfang dort am Ende der Strasse...  Ein paar Brasilianer nahmen uns dann - etwas erstaunt weil wir alle im Badekleid waren - zurück zu unserem Appartement, dessen Schlüssel glücklicherweise nicht im Auto war sondern versteckt hinter einem Pflanzentop beim Eingang der Wohnung. (Noch ein Einschub: Fleissig LeserInnen mögen sich an den Ausflug - ebenfalls im Sommer - ins Six Flags Magic Mountain erinnern, wo ich im dunkeln einen Sack mit Handys und Kamera und Autoschlüssel versteckte, weil man nix auf die Achterbahn nehmen durfte, und anschliessend alles geklaut wurde... Der Aufenthaltsort von Schlüssel ist deshalb bei mir immer ein abwägen: Beim Haus/Auto etc. verstecken mit der Gefahr des geklaut werdens oder mitnehmen mit der Gefahr ihn zu verlieren? Unsere neuste Lösung ist wohl die beste: Seraina nimmt ab jetzt Autoschlüssel etc. :-) So rief ich den Autoclub an - dessen Mitgliedschaft haben wir wohlweislich in der ersten Woche hier in den USA gelöst - und nach etwas mehr als 2 Stunden kam der Abschleppwagen der mit mir zurück zum Parking fuhr wo es mittlerweile stockdunkel war.  Ich meine wirklich stockdunkel, denn in Hawaii gibts tausende von Kilometer rundherum keine Städte und die Strassen sind nicht beleuchtet. Ich betone das als Entschuldigung für den Knüller des abends, denn ich lotste den Mechaniker direkt zum letzten Auto des Parkplatzes (alle die in Kalalau übernachten lassen ihr Auto hier stehen) und relativ professionell mit Luftkissen und Eisenstäben war das Auto auch schon offen. Ein paar Minuten lang suchte ich den verdammten Hebel um den abgeschlossenen Koffer zu öffnen bis ich merkte, dass der Kofferraum ja gar nicht vom Rest des Autos abgetrennt war, ergo wars gar nicht unser Mietauto... Peinlich, peinlich, ich versicherte ihm, dass das unter uns bliebe (und publiziere es auf meinem Blog, jaja...) und wir machten uns daran das nächste Auto zu knacken. Ich mein, die waren alle weiss und überhaupt sehen diese Mietautos alle gleich aus :-) Anyway, wir hatten unser Auto zurück, endlich!

Die restlichen drei Tage verbrachten wir dann auf dem südlichen und westlichen Teil der Insel. Am Samstag fuhren wir vom einen Ende des Highways alles runderhum bis zum anderen Ende der Strasse. Das lustige ist, dass das westliche Ende der Strasse ziemlich genau 1000 Höhenmeter oberhalb des Kalalau-Strandes ist. Das heisst, wir standen nun am Aussichtspunkt und schauten runter auf den Strand den wir mit viel Strapazen tags zuvor erreicht hatten. Aber: Es gibt keinen Weg runter, dh. es gab mal einen aber der wurde bei einem Sturm weggespült und Leute, die von hier aus runter nach Kalalau wollten, sind schon gestorben weil es felsig und steil ist. Die Gegend um den Weimea Canyon heisst nicht umsonst "Grand Canyon von Hawaii" und ist wirklich fast so eindrücklich wie der grosse Bruder in Arizona! Von unserer geplanten Wanderungen machten wir dann nicht eine, einerseits weil uns noch die Beine wehtaten und andererseits weil diese Region die regenreichste Region der Welt ist und obwohl wir beim Kalalau-Trail entlang der Na Pali Küste Glück hatten, war jetzt wieder Regen angesagt. Eine Nacht im Regen im Zelt, ganz gemütlich zwischen all dem üppigen Grün der Vegetation! Aber zum wandern... Nein danke... So gings am Sonntag runter ganz in den Süden wo natürlich die Sonne schien. Das scheint hier immer so zu sein: Im Nord-Westen stauen sich die Wolken und es regnet oft und ist tropisch-feucht, im Süd-Osten hingegen ist es oft sonnig und "eher" trocken. Ich sage "eher" trocken weil uns Leute gesagt hatten, "im Süden da ist praktisch eine Wüste" aber nachdem wir hier die Wüste von Nevada und Kalifornien gesehen habene (richtige Wüste!) mussten wir lachen: Der Süden ist nicht ganz so tropisch wie der Norden aber es ist immernoch überall grün, grüne Weiden, viele Büsche und Sträucher etc.




Die letzten beiden Tagen hingen wir am Strand rum, schnorcheln, baden, whale-watching (cool!!!) oder in teuren Bars den Sonnenuntergang geniessen. Die ganze Region um Poipu hatten wir uns viel hässlicher und touristischer vorgestellt als es schlussendlich war. Ich hatte die "Kein Haus darf grösser als eine Palme sein"-Regel vergessen und mir irgendwelche Beton-Bunker a la Kotza-Brava oder Cancun vorgestellt, aber eigentlich ist es recht charmant, etwas mehr auf den (bescheidenen) Massentourismus ausgerichtet und dafür hats weniger so komplizierte All-Organic-Körnlipicker und mehr ganz normale Touristen. Was auch angenehm sein kann...




Mein Fazit: Kauai ist wirklich eine superschöne Insel, wer Hawai mit dem Paradies vergleicht hat keinen Ecken ab, aber ein zweites Mal muss ich nicht unbedingt gehen. Im Gegensatz zu anderen Orten die kulturell brodeln und man das Leben einsaugen kann, mit Städten wo man neues entdeckt und Leuten und Kulturen die einem fremd sind, ist man hier mehr in einem grossen "Club-Med" mit allem drum und dran. Was soll ich sagen? Man ist halt, trotz aller Exotik, noch immer in den USA... Been there, done that, wäre mein Fazit. Vielleicht zur Pensionierung wieder :-)

Und hier noch der Link zum Fotoalbum für noch mehr Fotos!

Dienstag, 17. November 2009

Meine Arbeit in den USA: Konferenzen und Teleworking

Was Seraina und Josiah hier machen ist den meisten klar, aber was treibe ich eigentlich so den lieben langen Tag? In diesem Blog-Beitrag möchte ich meine Arbeit hier in den USA anhand ein paar Beispielen genauer erläutern.

Grundsätzlich bin ich weiterhin von der Universität Zürich angestellt allerdings halb soviel wie in der Schweiz, dh. übers Jahr verteilt bin ich 40% angestellt, kann aber meine Zeit relativ frei einteilen. Momentan arbeite ich jeweils morgens bis Josiah von der Schule nach Hause kommt plus ich reise an Konferenzen und Veranstaltungen. Wenn ich zuhause arbeite, dann mache ich ähnliche Sachen wie in Zürich: Mails beantworten, Support von Usern die mit unseren Tools OLAT und eLML arbeiten und Fragen haben, Programmierung von Layout-Vorlagen, Öffentlichkeitsarbeit etc. Zusätzlich besuchte ich in den letzten Wochen Konferenzen und Expos um unsere Tools in den USA und Kanada vorzustellen. Die eLearning-Software die wir vertreiben ist frei verfügbar, denn sie wurde von der Universität Zürich unter einer Open Source Lizenz veröffentlicht. Mein Ziel ist es neue Anwenderinnen und Anwender in den USA zu finden, denn hier dominieren ein paar wenige (US-) Produkte und obwohl OLAT in Europa und Asien Anhänger hat wird es hier praktisch (noch) nicht beachtet.

Die erste Konferenz die ich Mitte Oktober besuchte war ein Ingenieurskongress an der University of California in Berkeley. Man soll ja nicht in einem öffentlichen Blog über Organisationen und andere Leute herziehen, deshalb hier einfach ein paar Bilder von der mit vielleicht 60 bis 70 Teilnehmenden eher bescheidenen Konferenz...





Zudem tauchte eine gewisse Person, die mich an diese Konferenz gelockt hatte und die ich hier mal A. P. nenne, nicht auf, was mich etwas ärgerte und die ganze Übung noch sinnloser machte. Janu, das Schöne an der Konferenz war, dass es ab da nur noch bergauf ging.

Als nächstes Stand in der folgenden Woche die E-Learn 2009 in Vancouver, Kanada auf dem Programm. Diese Konferenz war schon viel besser und interessanter. Über 4 Tage gabs jeweils von morgens um 8 Uhr bis abends um 19 Uhr interessante Vorträge (ok, nicht alle...), Demos, Poster-Sessions etc. Ich hatte selbst einen Vortrag und hatte zudem auch noch an einer Open Source Session die Möglichkeit unsere Tools vorzustellen. Dann ist an solchen Veranstaltungen natürlich das Networking wichtig: Es gibt Essen und Aperos an denen man mit steigendem Alkoholpegel immer einfacher Leute kennenlernt, man geht an Vorträge zu Themen die einem interessieren und spricht anschliessend mit den Dozenten oder nimmt an der Diskussion teil oder man geht an sogenannte Roundtables die zu gewissen Themen gehalten werden und tauscht sich mit anderen "Peers" aus. Was das schlussendlich bringt ist schwer zu sagen... Viel blabla oder echtes Interesse? We will see... Hier ein paar Impressionen von der E-Learn 2009:









Letzte Woche dann die dritte und vorerst letzte Konferenz: The eLearning Guilds DevLearn 2009 in San Jose bei San Francisco. Im Gegensatz zu den ersten beiden Konferenzen gabs es hier zusätzlich eine Expo, das heisst, eine Messehalle mit Ständen. Und ich hatte dort auch einen Stand zu betreuen, was etwas stressig ist alleine, dafür umso interessanter weil man mehr Leute kennenlernt. Doch bevor ich meinen Stand aufbauen konnte musste ich ja zuerst nach San Jose reisen und hier entschied ich mich (einmal mehr) für den Zug. Hier ein paar Impressionen von der Zugreise die teilweise direkt dem Pazifik entlang führte und wirklich sensationell war:




Allerdings dauerte die Reise auch 9 Stunden, was mich aber nicht störte. Vom Bahnhof gings dann am Abend direkt in ein Restaurant wo ich Vertreter einer Amerikanischen Universität traf. Sie haben scheinbar OLAT genauestens evaluiert und entscheiden schon diese Woche ob sie in Zukunft auf OLAT umsteigen werden oder nicht. Da bin ich mal gespannt...

Am Mittwoch startete dann die Expo und ich baute mit meinen bescheidenen Mitteln einen Stand auf. Neben mir waren Firmen wie Adobe die grosskotzig ihre Produkte anpriesen, was den Charme meines Standes noch steigerte. Als Universität und Open Source Projekt kann man gar nicht grosskotzig auftreten, das wäre etwas deplatziert. Zudem gabs an meinem Stand gratis Schweizer Schokolade (Kommentar eines Besuchers "Swiss Chocolate? You rock!") was unglaublich viele Besucherinnen und Besucher anlockte :-)





Leider konnte ich diesen "Schokolade-Bonus" nicht immer ausnutzen, denn ich war alleine am Stand und konnte immer nur mit einer Person aufs Mal sprechen. An einem anderen Stand hatte ich erlebt wie eine "Standhostesse" zwar mehrere Personen aufs Mal abfertigte - ich wollte gerade etwas über ihr Produkt fragen als sie sich mit "Excuse me one second" an den nächsten Besucher wandte "Do you have any questions about our products?". Für mich keine Option, ich empfand das als ziemlich unsympathisch und "rude".

Am gleichen Tag musste ich noch einen Vortrag über OLAT und eLML halten. Eine Stunde lang einen unbetreuten Stand. Janu, mein Nachbar hatte den Stand netterweise im Auge. Der Vortrag selbst war nicht schlecht besucht, allerdings war ich ziemlich überrascht als ich erfuhr, dass meine Session 75 Minuten dauert und nicht 15 oder 20 Minuten wie sonst üblich an Konferenzen. So hielt ich zuerst einen etwa halbstündigen Vortrag mit einer ausführlichen Demo und improvisierte anschliessend indem ich das Publikum aufforderte über ihren Einsatz von Open Source Tools in ihrer Organisation zu sprechen plus Vorteile und Risiken von Open Source Produkten zu diskutieren. Das ergab eine erstaunlich lebendige Diskussion und als ich nach knapp 60 Minuten die Session beendete war niemand sauer, dass es früher fertig war :-) Kein Wunder, nun war "Expo reception" Apero angesagt und es galt als erster an der Bar zu sein... Glücklicherweise war die Bar neben meinem Stand (mein Stand war grad beim Eingang!) was mir a) viele Kunden bescherte und b) einen leichten Zugang zu Whiskey-Cola ermöglichte :-) Photos von meiner Session vor dem Beginn:



Abends war wieder networking angesagt. Die Organisatoren hatten eine lustige Idee: An einer Pinwand konnte jeder der wollte ein Abendessen-Thema plus Ort vorschlagen und man konnte sich anschliessend wo man wollte. Ich endete mit ein paar "Higher Education" und "Open Source" Leuten in einem mexikanischen Restaurant, was ganz nett war.

Donnerstag war dann wieder "am Stand stehen" angesagt. Es lief nicht mehr ganz so viel wie am ersten Tag, aber das ist immer so an Messen. Zudem hat man dann mehr Zeit für einzelne Personen und lustigerweise kamen nun ein paar Leute vorbei weil sie am Mittagstisch, an einem Vortrag, bei einem Gespräch im Gang von OLAT gehört hätten und nun mal an den Stand kämen um die Software anzuschauen (und um Schweizer Schokolade zu nehmen :-)

Am Abend gabs dann ein sogenanntes Demofest an welchem ich OLAT vorstellten konnte. Ein Demofest ist normalerweise ein grosser Saal in welchem jedem Projekt ein Tisch zur Verfügung gestellt wird und die Idee ist, dass man nicht Produkte vorstellt (T-Shirts mit Logo sowie Flyer verteilen war verboten) sondern Forschungsprojekte, seine eigenen eLearning-Kurse, "Best Practices", Open Source Tools etc. Es war also nicht unbedingt der Sinn, dass jene Firmen die an der Expo einen Stand hatten ihre Produkte auch noch am Demofest vorstellten. Ich hatte mich trotzdem angemeldet und als universitäres Open Source Projekt schien das auch OK zu sein dort aufzutreten. Das Demofest war sehr gut besucht, nicht nur weil der Donnerstags-Apero daran gekoppelt war sondern auch weil die Leute wirklich interessiert waren an den Projekten. Nach 3h Demofest war ich dann praktisch heiser und froh, dass es vorbei war.



Am Abend wurde ich dann von einem unserer (wenigen) US-Usern in ein feines indisches Restaurant eingeladen. Wir hatten schon seit ein paar Monate Kontakt gehabt und da er gleich neben San Jose wohnt war es eine gute Gelegenheit sich mal zu treffen. Die Hoffnung wäre, dass er als kommerzieller Partner für uns in den USA OLAT-Services anbieten könnte. Jedenfalls hat er das für 2010 geplant und ich hoffe, dass das klappt.

Freitag war dann nochmals Konferenz angesagt und nach all den Events, Meetings und Gesprächen war ich dann ganz froh am Nachmittag den Flieger (nein leider nicht mehr Zug...) nach LAX nehmen zu können und auch die dritte und vorerst letzte Konferenz erfolgreich hinter mich gebracht zu haben. Von den Städten sah ich übrigens jeweils nicht viel, was ein bisschen schade ist. Sowohl in Vancouver als auch in San Jose ging ich genau einmal aus dem Hotel raus in die Stadt (an beiden Orten fand die Konferenz im Hotel statt). Schade eigentlich, aber janu...

Zurück in Topanga heisst es nun die Kontakte vertiefen, auf Emails reagieren, Konferenzgespräche und Skype-Meetings organisieren und meine Kollegen in der Schweiz mit Anfragen überhäufen und auf Trab halten in der Hoffnung, dass hinter all den grossen Sprüchen die die Leute hier üblicherweise schwingen auch ein paar Körnchen Wahrheit stecken. We will see... Die Weltherrschaft haben wir mit OLAT nicht geplant, aber ein paar neue User plus kommerzielle Partner in den USA zu haben wäre schon nicht schlecht. Und wo ginge das besser als in meinem Home-Office, dem schönsten Arbeitsplatz den ich je hatte (und vermutlich je haben werde... *sniff*):


Donnerstag, 5. November 2009

Topanga - the place I call home now!

Ich sitze im Cafe Mimosa, idealer Ort um in Topanga einen Blog-Eintrag über Topanga zu schreiben. Warum? Das Mimosa IST Topanga. Im Cafe Mimosa ist IMMER mindestens ein Drehbuchschreiber mit seinem Apple (what else?) Laptop und schreibt an seinem neustem Drehbuch. Im Mimosa sind immer irgendwelche andere Alt- oder Neu-Hippies die den Tag irgendwie verghängen. So zum Beispiel vorgestern, als ich eine Konversation von zwei älteren Herren über Sex mithören musste. Der eine zum anderen: "Bis 20 wars unbeschwert, nachher haben sie mir das Leben wegen Aids und so schwer gemacht. Und jetzt? Ist den Stress nicht mehr wert..." und der andere "Ja genau, grad letzthin hatte ich mit so einer jungen, unerfahrenen Sex, es hat sich nicht gelohnt..." und so weiter... Beim gehen drehe ich mich und schaue die beiden an: Die sind ja so alt wie ich??? What the hell? Und wer sitzt gerade jetzt während ich den Blog schreibe neben mir und macht eine junge Französin an? Genau... "I love your French accent!" sagt er doch tatsächlich während ich schreibe. Fuck, yeah, everybody loves that French accent if the owner the accent is a 21 year old blond exchange student... Wie plump :-) Und der andere kommt auch grad rein mit einem Kollegen. Hier hängen immer dieselben Leute rum und trinken "Soy-Latte" oder essen Vegan-Bagles. Zu geil :-)

Oder letzte Woche. Ein wirkliche Alter zu einem Kollegen, erzählt wie seine Tochter geheiratet hat. "Und dann rief sie mich an, mitten in ihrer Hochzeitnacht und heulte, dass ihr Ehemann sich seit drei Stunden eingeschlossen hat und betrinkt! Und ich zu ihr, Honey, niemand schliesst sich in der Hochzeitsnacht im Badezimmer zum betrinken ein, entweder raucht er Crack oder schiesst Heroin aber sicher kein Alkohol, ich weiss wovon ich spreche!" und man sah ihm an, dass es stimmte. Und solche Diskussionen kann man im Mimose mitverfolgen während im Hintergrund "Exodus" von Bob Marley läuft (so wie gerade jetzt...). Und wenn die locals gehen verabschieden sie sich mit "Peace, man!", genauso hatte ich mir das auch vorgestellt hier... Vor 40 Jahren... Was sich aber geändert hat: Jeder Zweite hat einen Laptop und/oder iPhone und man arbeitet von irgendwo her, bsp. eben vom Mimosa so wie ich auch ab und zu.

Gleich neben dem Mimosa hats einen Bhutan-Shop (war ich noch nie drin, brauch ich grad was aus Bhutan?? Fällt mir grad nichts ein...), einen Bio-Laden und natürlich der legendäre Dr. Roy! Dr. Roy ist der einzige Doktor in Topanga und ist mindestens seit 1968 hier. Bei der Schuleinführung erwähnte der Direktor der Schule, dass alle Eltern einen Tuberkulose-Test  brauchen um aufs Schulgelände zu können. Und den macht man am besten bei Dr. Roy, der Test dauert 2 Minuten und anschliessend muss man noch eine halbe Stunde mit ihm schwatzen. No kidding! Seraina und ich waren mind. eine halbe Stunde bei ihm (zum Preis von nur $30 für den TB-Test!). Also Seraina's Thema "Mexikanisches Kino" fand er mega spannend, hat gleich alle Register gezogen was er über das Thema weiss. Zum Beispiel die Geschichte eines alten Kunden der mittlerweilen gestorben ist. Sein Vater war aus Mexiko, hatte in den 20er Jahren mit Pancho Villa in der Mexikanischen Revolution gekämpft und war dann nach New Orleans geflüchtet wo er bei Schwarzen Steppdanz oder sonst ein Tanz gelernt hat, ging dann nach Deutschland wo er für die Nazis in Shows tanzte und dann wieder flüchtete und und und... Als ich ihm sagte, dass ich Umweltnaturwissenschaften studierte hatte wurde ich prompt in sein Büro geführt wo er mir seine Sammlung an Satelliten-Bildern zeigte. Und so weiter... Dr. Roy, wir empfehlen allen Gästen sich zumindest leicht zu verletzten wenn sie hier sind, damit sie in den Genuss einer Behandlung von Dr. Roy kommen. Gell, Guido? Mal kurz auf unserem Wallride auf die Schnauze fallen und ab gehts :-) Wobei Dr. Roy selbst auf seinem Beantworter darauf hinweist, dass "if this is an emergency call 911!". Das ist doch mal ehrlich!

Was gibts sonst noch in Topanga? Ein paar weitere Restaurants und Cafes, einen Lebensmittelladen, weitere Öko-Shops und eine Poststelle. Eines der cooleren Restaurants ist das Froggis, eines der teuersten der ganzen Region ist das esoterische New Age Restaurant "The Inn of the Seventh Ray". Dort waren wir bisher erst einmal, mit Simone, Guido und Annette zum brunchen. Ziemlich edel, gelegen in einem bezaubernden Garten durch den der Topanga Bach fliesst, mit klassischer Musik im Hintergrund und einem Buffet so gross wie ich es noch nie gesehen habe! Und das Wasser ist ultimativ gefiltert, ausbalanciert und schwingt genau richtig, wie uns der Kellner versichert hat. Für $35 kann man auch etwas erwarten :-)








Dann ist da natürlich noch die Topanga Elementary School in welcher Josiah die 6. Klasse besucht. Der Principal (Direktor) ist ein ziemlicher Scherzkecks. Sein Dr. Roy Spruch ist nur ein Beispiel, ein anderer ebenfalls am Elternmorgen vorgetragen, war sein Kommentar zur Schulkantine: "Our lunch costs one Dollar and it tastes like one Dollar so please give your kids your own lunch!" Das Kantinenessen im Los Angeles Unified School District (LAUSD) - zu dem wir auch gehören und deshalb beliefert werden - ist wirklich unter jeder Sau, ist entweder glibberig grün oder - für Vegis - Chips mit geschmolzenem Käse drüber oder sonstwas in der Art. So kommt es, dass Josiah seit er hier zur Schule geht gesünder denn je isst. Jeden Morgen machen wir ihm ein feines Sandwich mit Humus, Käse, Soja, Bio-Gemüse plus natürlich Früchte, ein Müesliriegel (meist Cliffbar), Nüsse etc. Was will man mehr...






Josiah's Lehrerin ist jung und motiviert, in Josiah's Klasse sind 14 Kids, alle sind motiviert, selbst die coolen Skaterboys gehen gerne zur Schule, man hänselt sich nicht und respektiert sich. Und das ist in einer öffentlichen Schule! Kurzum, es ist so ziemlich das Gegenteil von Zürich. Und wir hatten hier in LA Gangs, Drogen und Metalldetektoren am Eingang erwartet... Letzthin kam Josiah ganz verwundert nach Hause weil der Principal in einer Ansprache an die Schülerinnen und Schüler gewarnt hatte, man soll doch das Handy und Portemonney nicht draussen vor dem Klassenzimmer lassen, es sei sogar schon vorgekommen, dass etwas geklaut worden sei! Josiah war ganz erstaunt, dass es für das eine Ansprache gab, denn es sei doch normal, dass das Handy weg sei wenn man es vor dem Klassenzimmer in der Jacke oder so lasse.... Not in Topanga, Baby... So lasse ich das Haus und das Auto hier eigentlich immer offen, ich glaub wir haben nicht mal einen zweiten Satz Schlüssel und so besitzt nur Seraina einen Hausschlüssel. Unsere Türen und Fenster sind eh ein Witz, von dem her...

Aber es gibt schon Gefahren in Topanga. Allen voran die Topanga Canyon Road wo die Leute durchblochen ohne Rücksicht auf Verluste. Und Josiah der immer zu Fuss zur Schule geht und den Canyon überqueren muss - es hat zumindest ein Lichtsignal - oder ich, mich meistens mit dem Bike in Topanga bewegend, müssen schon ein bisschen umdenken und wegkommen vom Züri-groove wo jeder hält wenn man nur schon in die Nähe eines Fussgängerstreifens kommt. In den Augen der meisten anderen Eltern sind wir verantwortungslos, denn Josiah ist meines Wissens das einzige Kind das zu Fuss und erst noch alleine zur Schule geht. Wenn andere Kids zu Josiah zu einem "Playdate" kommen, dann ist das nach Hause kommen immer ein huerä Theater, doch einzelne Kids dürfen mittlerweile mit Josiah nach Hause laufen. Potz Blitz!

Andere Gefahren sind Feuer, Wasser und die wilden Tiere. Beginnen wir bei den Tieren. In unserem Garten tummeln sich tagsüber Kaninchen, Squirrels (Eichhörnchen), Klapperschlangen und Eidechsen. Die Nager durchlöchern den halben Hügel auf dem unser Haus gebaut ist und die Gefahr besteht, dass bei einem grösseren Gewitter hier viel Erde runterkommt weil alles so durchlöchert und unstabil ist. In der Nacht hören wir Ratten und Mäuse (wir müssen überall Fallen aufstellen damit sie nicht zu dreist werden) und natürlich Koyoten. Koyoten sind an und für sich scheu und greifen Menschen nicht an (Ausnahme: vor zwei Wochen als sie eine Kanadierin getötet haben...) ausser man ist noch ein ganz kleiner Mensch und wird über Nacht draussen gelassen. Keine Babys im Garten liegen lassen, sonst sind sie weg wenn man Pech hat. Und auch keine Haustiere wie Hunde und Katze etc. draussen lassen in der Nacht sonst sind sie auch weg. Laut Seraina und Josiah kämen die Koyoten bis vor unsere Haustüre und jaulen ganz fürchterlich (so fürchterlich, dass Seraina das Haus jetzt neu in der Nacht abschliesst... Ob das hilft?). Jedenfalls habe ich die Koyoten noch praktisch nie wirklich laut jaulen hören und als sie mal hier waren hat ein kurzer Schrei vom Balkon sie gleich verjagt.

Feuer und Wasser hingegen sind ganz reelle Gefahren. Man muss sich vorstellen, dass es in Topanga (bzw. Südkalifornien) eigentlich von etwa April bis November nie regnet. Man lebt hier am Rande einer Wüste und wenn von der Wüste her die gefürchteten Santa Ana Winde mit 40 Grad Celsius und mehr reinblasen, dann genügt ein Funke und alles brennt. Auch ohne diese Winde gibts es hier ganz üble Waldbrände und man kann innert Minuten vom Feuer eingekreist sein wenn man nicht sofort abhaut. So gibts in der Schule regelmässig Feuerübungen und jedes Haus hat sein Notfallhandbuch, ist einer Schutzzone zugeteilt etc. Und wenns dann im Winter mal regnet, dann schüttets scheinbar. So fest, dass der Topanga Canyon über die Ufer tritt, die Hänge runterkommen und Schlamm und Steine die Strasse blockieren. Dann sitzt man fest, denn es gibt nur diese Strasse hier. Und auch nicht zu vergessen sind Erdbeben. Zwar hab ich noch keins erlebt aber wenn mal eins kommen sollte, dann ab unter den Tisch oder Türrahmen... So wird uns jedenfalls empfohlen. Als Fazit kann man sagen, es gibt hier schon viele reelle Gefahren, aber die sind ganz anderer Natur als wir uns das von Los Angeles vorgestellt hatten.






Doch wohnen in der Natur bringt nur nur Gefahren. Es ist natürlich cool in einem Haus mitten im Grünen zu wohnen, vor allem wenn es soviel Sonne hat wie hier in Kalifornien. Wir haben hier jeden Tag Sonne seit wir hier sind. Zwei Tage Regen als Simone hier war (Murphys Law) und sonst eigentlich immer blauer Himmel und Sonne. So arbeite ich oft am Laptop draussen auf der Terasse, sobald es warm genug ist. Denn in der Nacht da kühlt es ziemlich ab (bis 10 Grad) und am Morgen ist es deshalb noch recht frisch bis dann die Sonne gegen 10 Uhr auftaucht und alles aufwärmt.

Glücklicherweise haben wir coole Nachbarn mit denen wir uns gut verstehen und auch und zu zusammen Znacht essen oder was unternehmen. Sonst kennen wir eigentlich noch nicht so viele Leute hier, zwei, drei Eltern aus der Klasse von Josiah und eine weitere Familie via Josiah's Biker-Freund. Josiah, der ja jeden Tag an der Schule mit anderen Schülerinnen und Schülern ist, und Seraina, die regelmässig an die UCLA fährt und dort auch Kollegen hat, stört das nicht so. Ich, als ein "Home-Worker" der von zuhause aus arbeitet, hätte gerne manchmal mehr Austausch mit Leuten. Das ist der Nachteil wenn man zuhause arbeitet. Auf der anderen Seite war ich die letzten zwei Wochen an zwei Konferenzen, eine in Berkeley (San Francisco) und eine in Vancouver (Kanada)  und nächste Woche bin ich bereits wieder an einer Konferenz in San Jose, CA. Ich kann als momentan auch nicht klagen :-) Thats all folks, für den Moment.


Dienstag, 20. Oktober 2009

Josiah und Joëls (Inter-)Bike-Weekend

"Schreibst Du eigentlich noch Deinen Blog?" werde ich immer wieder gefragt? Ja, eigentlich schon, ich komme einfach nicht dazu, weiss gar nicht recht warum, denn so streng hab ich es gar nicht... Jedenfalls sitze ich im Zug nach San Francisco an die erste Konferenz und das ist eine gute Gelegenheit mal wieder einen Blog-Eintrag zu schreiben und ein paar Fotos hochzuladen, denn die Zugreise dauert insgesamt fast 9 Stunden.


To bike or not to bike?
Ich möchte in diesem Beitrag einen Monat zurückschauen, nämlich auf das Wochenende vom 25. bis 27. September als es Josiah und mich nach Las Vegas an die Interbike zog. Seraina war für zwei Wochen nach Mexiko gereist um dort zu recherchieren und erste Befunde ihrer Doktorarbeit an einer Konferenz in Morelia zu präsentieren. So war es Josiah und mir selbst überlassen was wir machen wollten und wir entschieden uns fürs Schule schwänzen und nach Las Vegas gehen. Ganz wie man es von einem verantwortungsvollen Vater ja auch erwarten würde... Naja, ganz so leicht habe ich die Entscheidung nicht genommen bzw. ich hab sogar - gegen Empfehlung von "locals" die fanden man müsse niemanden fragen, wenn man das Kind aus der Schule nehme - die Lehrerin kontaktiert ob ich Josiah schon am Donnerstag an eine "wichtige Besprechung" mitnehme könne, denn ich sei alleine mit Josiah und könne ihn nicht gut zurücklassen. Etwas peinliche Formulierung, denn gleichentags hat Josiah die Lehrerin gefragt ob er an die Interbike Messe nach Las Vegas gehen könne. Natürlich ist die Interbike nicht einfach eine Messe sondern die grösste und wichtigste Zweiradmesse der Welt wo einfach alle anzutreffen sind und immer die neusten Produkte fürs kommende Jahr vorgestellt werden, aber ob das die Lehrerin auch so sah? Sie sah es auch so und fand es ok wenn Josiah einen Tag fehlte, insbesondere auch weil Josiah bis jetzt gar keine Probleme hat dem Unterricht zu folgen und weil es ihr scheinbar schon zu Ohren gekommen ist, dass Biken für Josiah alles bedeutet :-) Jedenfalls sind wir am Donnerstag Nachmittag gleich nach der Schule losgeblocht und sind abends im blinkenden Las Vegas angekommen. Erstaunlicherweise brauchten wir nur schon 2 bis 3 Stunden um überhaupt mal aus Los Angeles rauszukommen, für den viel viel längeren Teil durch die Wüste brauchten wir dann keine 3 Stunden mehr.


In Las Vegas darf man eigentlich nur nachts ankommen, sonst wird das nichts. So direkt von der Autobahn runter auf den "Strip" wo alle Hotels und Casinos sind, wo alles blinkt und glitzert, das ist schon ein besonderes Erlebnis. Ich hatte mich aus nostalgischen Gründen für das Luxor Hotel entschieden, denn als ich 1993 das erste Mal hier war, wurde gerade an diese riesigen Pyramide gebaut. Ich habe sogar noch ein altes Foto gefunden und man sieht, dass vor über 15 Jahren das Luxor einfach mitten in die Wüste gebaut wurde und ziemlich "unreal" aussah. So wollte ich - scheiss auf den Preis der mit 140.- pro Nacht nicht ganz billig war - unbedingt dort hin und schauen wie es heute aussieht. Und es sieht schon noch eindrücklich aus, wenn man durch die Sphynx reinkommt aber alles in allem sehen die meisten Hotels etwa gleich aus. Die Zimmer sind alle überdimensional gross doch monoton und in allen Hotels etwa gleich aussehend. Witzig war noch, dass die Fenster eine einzige abgeschrägte (man war ja am Rand einer Pyramide) Glasfront sind und da Josiah an der Reception der Dame begeistert erzählt hat, dass er das erste Mal hier sei, gabs auf unsere Bitte hin auch ein Zimmer gaaaanz weit oben, irgendwo im 30 oder 40 Stock wo man schön über Las Vegas sah. Den Abend verbrachten wir dann mit TV zappen und Roomservice auskosten (auch das überdimensional, sowohl in den Mengen als auch im Preis... leider...). Während Josiah schon schlief surfte ich noch ein bisschen auf der Interbike-Website und oh Schreck, die Interbike war eine reine Händler-Messe. Etwas improvisiert füllte ich um Mitternacht noch ein Anmeldeformular aus in welchem ich mich als Mitarbeiter einer Bike-Firma eines Kollegen aus der Kanti Zeit ausgab. Ich schickte ihm auch noch schnell ein Mail und hatte am kommenden Morgen auch schon seine Antwort und die war wenig ermunternd: "ja, das in LasVegas ist echt kacke mit der Registrierung..." und so weiter. Nicht gerade ermunternd...


Interbike 2009
Am kommenden Morgen musste ich Josiah beichten, dass wir allenfalls gar nicht reinkommen und ziemlich gestresst und nervös fuhren wir so ins Sands Convention Center wo soeben der letzte Tag der Interbike begonnen hatte. Man hatte meine Registrierung zwar erhalten doch verlangte man nach Ausweisen oder Handelsregisterauszügen oder zumindest einer Visitenkarte mit meinem Namen und dem Firmenlogo drauf. Natürlich hatte ich nichts vorzuweisen und es sah düster aus, bis die eine Dame am Empfang plötzlich zu Josiah sagte "You look so cute, I'm just gonna give you guest passes for today and you'll be my guests!". So einfach geht das wenn man einen Sohn hat der den Hundeblick beherrscht. Hocherfreut, wenn auch etwas neidisch, nahm ich die beiden Pässe in Empfang und ab gings, rein in die erste Halle wo uns tausende von Bikes aller Arten empfingen.


Die Interbike ist wirklich ein Sammelpunkt für alle und alles: Die freakigen Kleinfirmen, die in mühsamster Handarbeit ein paar Rahmen pro Jahr herstellen sind ebenso vertreten wie die Chinesen die versuchen Deals für Schiffsladungen voll Billigstkomponenten in Las Vegas zu verhökern. Die Rennveloszene, die Tourenfahren, die Alltagsfahrer, die Mountainbiker, die Dirtjumper, die BMX-er, einfach alle haben sie ihre Vertretungen an der Interbike und stellten die neusten Produkte fürs 2010 vor. Und natürlich immer die passenden Stars dazu. So traf Josiah praktisch alle seine Vorbilder, Cam McCaul, Andreu Lacondeguy, Darren Berrecloth, Robbie Bourdon, Graham Agassiz und wie sie alle heissen. All die Jungs die ich jeweils in Josiahs Bike Filmen habe durch die Luft wirbeln sehen waren dort und Josiah sprach sie alle mehr oder weniger selbstbewusst an und erhielt Handshakes, Autogramme und coole Photos.





Natürlich gingen wir immer wieder am Freeride Entertainment Stand vorbei wo der neuste und letzte der ultimativ hippen New World Disorder (NWD) Bikefilme vorgestellt wurde und immer wieder mal einer der Fahrer anzutreffen war. Teilweise teilten Josiah und ich uns auf, er frönte dem NWD 10 während ich staunte über die Bikes aus Bambus, aus Draht, mit Riemenantrieb und was es sonst noch so alles zu bestaunen gab. Am Schluss wurden wir noch zeugen einer abgefahrenen Grind-Session eines BMXlers der vor versammelter Fangemeinde kurzerhand zum WC runterslidete (und ich das Glück hatte ihn perfekt mit der Kamera zu erwischen). So verbrachten wir von 9 bis 18 Uhr fast 10 Stunden stehend und Kilometer ablaufend an der Interbike und ich war ziemlich fix und fertig als wir endlich im Hotel ankamen und aufs Bett hängen konnten...


Las Vegas by Night
Doch lange ausruhen lag nicht drin, denn es war Freitagabend und unsere letzte Nacht in Las Vegas. So gings auf Schusters Rappen noch ein paar Kilometer mehr durch Casinos den Strip runter, Flippern, Videogames und was es sonst noch für unter 21-jährige im Angebot gab, denn ich durfte mit Josiah zwar durch die Casinos gehen - die Fussgängerzone in Las Vegas verläuft praktisch Mitten durch die Casinos :-) aber wir durften nirgends stehenbleiben wo es nach Geldspiel aussah. Doch auch so gibts noch genug zu sehen, die Wassershow des Bellagio, der Vulkan des Mirage etc. Kurz vor Mitternacht fielen wir dann beide todmüde ins Bett und waren ziemlich glücklich über den erfolgreichen Tag der so gestresst und genervt begonnen hatte.





Bootleg Canyon in Boulder City, NV
Samstag war für uns der Tag an dem wir weiterziehen wollten. Nicht bevor wir noch das Pool ausgecheckt hatten, denn wir waren ja Mitten in der Wüste und es war schon morgens um 9 Uhr sicher weit über 30 Grad. Später sollte das Thermometer dann noch auf über 40 Grad ansteigen und so war es nichts als Normal den Tag mit einem kühlen Bad im Pool zu beginnen. Erstaunlich war, dass bereits zu dieser "frühen" Morgenstunde die Serviererinnen mit "Cocktails, Cocktails" auf den Lippen zwischen den Gästen ihre Runden machten. Sich um 9 Uhr im Pool mit betrinken beginnen, thats Las Vegas und so wars dann auch ok für uns auszuchecken und ab in Richtung Wüste zu fahren. Unser nächstes Ziel hiess: Bootleg Canyon, der legendärste Biker-Ort im Umkreis von vielen hundert Kilometern. Hier geht alles was Rang und Namen hat hin zum downhillen, dirtjumpen, cross-country fahren, die coolsten Bike-Filme werden hier gedreht und wenn man irgendwas mit Bike am Hut hat muss man einfach hierhin. Nur nicht im Sommer... Bei über 40 Grad, mitten in der Wüste... Bootleg Canyon ist bekannt als der Ort an dem die Bike-Stars überwintern, vor November ist hier eigentlich nicht viel los aber was will man machen, wir waren hier, eine knappe Stunde von Boulder City und seinem Bootleg Canony entfernt, wir mussten einfach dort hin, schliesslich hatten wir ja extra unsere Bikes mitgenommen!


Wir waren relativ zackig in Boulder City, NV und so verbrachten wir den Rest des Tages mit Hoover Dam besichtigen, shoppen, in Cafes hängen und im lokalen Bike-Shop News einholen. Kurz vor Sonnenuntergang wagten wir uns dann in den Bootleg Canyon und drehten trotz Hitze unsere Runden auf den Schanzen, Wippen und North-Shores. Nach Sonnenuntergang wirds ziemlich rasch dunkel in der Wüste und wir verzogen uns auf den höchsten Punkt des Bootleg Canyons (was ja dann kein Canyon mehr ist sondern eher ein Hill) wo wir auf dem Kehrplatz unser Zelt aufschlugen. Atemberaubende Aussicht, auf der einen Seite der Blick in die dunkle Wüste, auf der anderen Seite volle Aussicht auf das Lichtermeer von Las Vegas. Leider waren wir nicht die einzigen die an diesem Samstagabend den Ausblick auf Las Vegas geniessen wollten und so teilten wir den Abend mit zwei, drei anderen Autos die dort entweder zum biersaufen oder zum rumknutschen raufkommen. Die Gruppe von Biersäufern war eigentlich ganz nett und gegen 22 Uhr verzogen sie sich auch wieder und wünschten uns eine gute Nacht, das Pärchen hingegen musste volle Pulle übelste Popmusik vom Autoradio dröhnen lassen (wohl um andere Geräusche zu übertönen?) und irgendwann ging Josiah ganz mutig hin (als feiger Vater schickte ich Josiah voraus und sagte ihm er solle es wieder mit seinem Hundeblick versuchen, der zieht bei Frauen immer...) und fragte ob sie nicht die Musik leiser machen könnte worauf sie "yeah sure" die Musik sogleich abstellten und wir schlafen konnten. Am nächsten Morgen war ich noch vor Sonnenaufgang um halb 6 oder so wach und siehe da, das Pärchen war noch immer da... Ob sie auch hier geschlafen hätten? Ah nein, geschlafen hätten sie nicht, vom Radio hören sei ihre Batterie leer geworden und sie hätten sich nicht getraut uns zu stören aber ob wir nicht ein Jumper-Kabel hätte um das Auto zu starten... *grins* Ja klar, und so verzogen sich die beiden währen Josiah und ich uns für unseren Bike-Morgen vorbereiteten. Im Bike-Shop meinten sie, dass man bis ca. 9 oder 10 Uhr fahren könne, deshalb ist es eine gute Idee schon um 6 Uhr loszulegen, denn die Temperaturen erst warm und noch nicht heiss sind.


Das taten wir dann auch und ich muss sagen, die Bike-Pisten dort sind wirklich 1A. Wir sausten den Canyon runter über Sand und Geröll, zwischen Kakteen und Sträuchern, so wie wir es bisher nur aus den Bike-Filmen kannten. Es war cool mal in einer völlig anderen Landschaft und auf einem völlig anderen Untergrund zu biken. Obwohl wir nicht die einzigen waren die an diesem frühen Sonntag Morgen dort die Pisten runterbikten, waren wir praktisch die einzigen die auf den Downhill-Pisten fuhren, fast alle anderen drehten ausschliesslich auf den technisch weniger anspruchsvollen Cross Country Pisten ihre runden. Und ich muss sagen, nicht zu unrecht, denn obwohl wir uns fast nur mit den Intermediate-Pisten begnügten, waren diese teilweise fast schon das Limit für mich. Und trotz Vollpanzermontur will man auf diesen spitzigen Steinen nicht umfallen... Fazit: Cool und anspruchsvoll, hier müssen wir im Winter nochmals herkommen!





Ab in die Berge: Big Bear
Nachdem wir das Glück hatten zweimal einen "guten Engel" zu finden der uns wieder rauffuhr war dann um 10 Uhr Schluss. Zu heiss, zu viel Sonne, zu extrem. Wir packten unser Zeugs ein und waren uns nicht einig wie es weitergehen sollte, denn Josiah hatte - jüdischer Feiertag sei Dank - am Montag auch noch frei. Hierbleiben oder schon zurück Richtung LA? Falls wir hier bleiben, was machen den ganzen Tag? Falls wir Richtung LA fahren, wo hin? Schlussendlich fuhren wir zurück nach LA und bogen bei "Lucerne Valley" ab in die Berge nach Big Bear. Diesen Winterskiort hatte ich bei meinem letzten Kalifornienaufenthalt vor 15 Jahren auch schon besucht und war damals begeistert von der angenehm kühlen Luft, den bewaldeten Hügeln und dem schönen See. Wir fuhren einen Tag lang durch die Wüste und erreichten gegen Abend die Berge um dann im Dunkeln am Big Bear Lake endlich unser Zelt aufschlagen zu können und unsere Subway-Sandwiche nun leicht fröstelnd - krass diese Temperaturgegensätze! - im Schlafsack auf 2000m zu verschlingen.





Am Montag Morgen gabs dann wieder Diskussionen, denn die Bahn transportiert zwar Bikes, ist aber in der Zwischensaison nur Samstag/Sonntag geöffnet und heute ware ja Montag. So überredete ich Josiah schliesslich zu einer Cross Country Tour und obwohl (oder gerade weil?) ich mich in den Distanzen verschätzte und wir die ursprünglich geplante Tour dann abkürzen mussten, wars super schön in den Wäldern von Big Bear. Hätte es nicht schon geschneit dort anfangs Oktober, wäre ich zu gerne nochmals dorthin gegangen zum biken, denn Trails sind flowig und machen unglaublich Spass. Kein gehacke wie man es von den Alpen kennt sondern man "fliesst" (flow...) wirklich die Hänge runter, von einer Kurve zur nächsten, zwischen den Nadelbäumen hindurch mit viel Speed über den sandigen Boden fliegend. Super!





Tja und das wars dann auch schon von unserem (Inter-)Bike-Wochenende, denn wir mussten ja noch durch ganz Los Angeles und von der Hinreise hatte ich noch böse Erinnerungen.


Weitere Photos habe ich auf Facebook publiziert (nein man braucht kein Facebook-Account um die Fotos zu sehen, einfach auf den Link klicken!):
Und hier noch Videos von Josiah im Bootleg Canyon: