Dienstag, 20. Oktober 2009

Josiah und Joëls (Inter-)Bike-Weekend

"Schreibst Du eigentlich noch Deinen Blog?" werde ich immer wieder gefragt? Ja, eigentlich schon, ich komme einfach nicht dazu, weiss gar nicht recht warum, denn so streng hab ich es gar nicht... Jedenfalls sitze ich im Zug nach San Francisco an die erste Konferenz und das ist eine gute Gelegenheit mal wieder einen Blog-Eintrag zu schreiben und ein paar Fotos hochzuladen, denn die Zugreise dauert insgesamt fast 9 Stunden.


To bike or not to bike?
Ich möchte in diesem Beitrag einen Monat zurückschauen, nämlich auf das Wochenende vom 25. bis 27. September als es Josiah und mich nach Las Vegas an die Interbike zog. Seraina war für zwei Wochen nach Mexiko gereist um dort zu recherchieren und erste Befunde ihrer Doktorarbeit an einer Konferenz in Morelia zu präsentieren. So war es Josiah und mir selbst überlassen was wir machen wollten und wir entschieden uns fürs Schule schwänzen und nach Las Vegas gehen. Ganz wie man es von einem verantwortungsvollen Vater ja auch erwarten würde... Naja, ganz so leicht habe ich die Entscheidung nicht genommen bzw. ich hab sogar - gegen Empfehlung von "locals" die fanden man müsse niemanden fragen, wenn man das Kind aus der Schule nehme - die Lehrerin kontaktiert ob ich Josiah schon am Donnerstag an eine "wichtige Besprechung" mitnehme könne, denn ich sei alleine mit Josiah und könne ihn nicht gut zurücklassen. Etwas peinliche Formulierung, denn gleichentags hat Josiah die Lehrerin gefragt ob er an die Interbike Messe nach Las Vegas gehen könne. Natürlich ist die Interbike nicht einfach eine Messe sondern die grösste und wichtigste Zweiradmesse der Welt wo einfach alle anzutreffen sind und immer die neusten Produkte fürs kommende Jahr vorgestellt werden, aber ob das die Lehrerin auch so sah? Sie sah es auch so und fand es ok wenn Josiah einen Tag fehlte, insbesondere auch weil Josiah bis jetzt gar keine Probleme hat dem Unterricht zu folgen und weil es ihr scheinbar schon zu Ohren gekommen ist, dass Biken für Josiah alles bedeutet :-) Jedenfalls sind wir am Donnerstag Nachmittag gleich nach der Schule losgeblocht und sind abends im blinkenden Las Vegas angekommen. Erstaunlicherweise brauchten wir nur schon 2 bis 3 Stunden um überhaupt mal aus Los Angeles rauszukommen, für den viel viel längeren Teil durch die Wüste brauchten wir dann keine 3 Stunden mehr.


In Las Vegas darf man eigentlich nur nachts ankommen, sonst wird das nichts. So direkt von der Autobahn runter auf den "Strip" wo alle Hotels und Casinos sind, wo alles blinkt und glitzert, das ist schon ein besonderes Erlebnis. Ich hatte mich aus nostalgischen Gründen für das Luxor Hotel entschieden, denn als ich 1993 das erste Mal hier war, wurde gerade an diese riesigen Pyramide gebaut. Ich habe sogar noch ein altes Foto gefunden und man sieht, dass vor über 15 Jahren das Luxor einfach mitten in die Wüste gebaut wurde und ziemlich "unreal" aussah. So wollte ich - scheiss auf den Preis der mit 140.- pro Nacht nicht ganz billig war - unbedingt dort hin und schauen wie es heute aussieht. Und es sieht schon noch eindrücklich aus, wenn man durch die Sphynx reinkommt aber alles in allem sehen die meisten Hotels etwa gleich aus. Die Zimmer sind alle überdimensional gross doch monoton und in allen Hotels etwa gleich aussehend. Witzig war noch, dass die Fenster eine einzige abgeschrägte (man war ja am Rand einer Pyramide) Glasfront sind und da Josiah an der Reception der Dame begeistert erzählt hat, dass er das erste Mal hier sei, gabs auf unsere Bitte hin auch ein Zimmer gaaaanz weit oben, irgendwo im 30 oder 40 Stock wo man schön über Las Vegas sah. Den Abend verbrachten wir dann mit TV zappen und Roomservice auskosten (auch das überdimensional, sowohl in den Mengen als auch im Preis... leider...). Während Josiah schon schlief surfte ich noch ein bisschen auf der Interbike-Website und oh Schreck, die Interbike war eine reine Händler-Messe. Etwas improvisiert füllte ich um Mitternacht noch ein Anmeldeformular aus in welchem ich mich als Mitarbeiter einer Bike-Firma eines Kollegen aus der Kanti Zeit ausgab. Ich schickte ihm auch noch schnell ein Mail und hatte am kommenden Morgen auch schon seine Antwort und die war wenig ermunternd: "ja, das in LasVegas ist echt kacke mit der Registrierung..." und so weiter. Nicht gerade ermunternd...


Interbike 2009
Am kommenden Morgen musste ich Josiah beichten, dass wir allenfalls gar nicht reinkommen und ziemlich gestresst und nervös fuhren wir so ins Sands Convention Center wo soeben der letzte Tag der Interbike begonnen hatte. Man hatte meine Registrierung zwar erhalten doch verlangte man nach Ausweisen oder Handelsregisterauszügen oder zumindest einer Visitenkarte mit meinem Namen und dem Firmenlogo drauf. Natürlich hatte ich nichts vorzuweisen und es sah düster aus, bis die eine Dame am Empfang plötzlich zu Josiah sagte "You look so cute, I'm just gonna give you guest passes for today and you'll be my guests!". So einfach geht das wenn man einen Sohn hat der den Hundeblick beherrscht. Hocherfreut, wenn auch etwas neidisch, nahm ich die beiden Pässe in Empfang und ab gings, rein in die erste Halle wo uns tausende von Bikes aller Arten empfingen.


Die Interbike ist wirklich ein Sammelpunkt für alle und alles: Die freakigen Kleinfirmen, die in mühsamster Handarbeit ein paar Rahmen pro Jahr herstellen sind ebenso vertreten wie die Chinesen die versuchen Deals für Schiffsladungen voll Billigstkomponenten in Las Vegas zu verhökern. Die Rennveloszene, die Tourenfahren, die Alltagsfahrer, die Mountainbiker, die Dirtjumper, die BMX-er, einfach alle haben sie ihre Vertretungen an der Interbike und stellten die neusten Produkte fürs 2010 vor. Und natürlich immer die passenden Stars dazu. So traf Josiah praktisch alle seine Vorbilder, Cam McCaul, Andreu Lacondeguy, Darren Berrecloth, Robbie Bourdon, Graham Agassiz und wie sie alle heissen. All die Jungs die ich jeweils in Josiahs Bike Filmen habe durch die Luft wirbeln sehen waren dort und Josiah sprach sie alle mehr oder weniger selbstbewusst an und erhielt Handshakes, Autogramme und coole Photos.





Natürlich gingen wir immer wieder am Freeride Entertainment Stand vorbei wo der neuste und letzte der ultimativ hippen New World Disorder (NWD) Bikefilme vorgestellt wurde und immer wieder mal einer der Fahrer anzutreffen war. Teilweise teilten Josiah und ich uns auf, er frönte dem NWD 10 während ich staunte über die Bikes aus Bambus, aus Draht, mit Riemenantrieb und was es sonst noch so alles zu bestaunen gab. Am Schluss wurden wir noch zeugen einer abgefahrenen Grind-Session eines BMXlers der vor versammelter Fangemeinde kurzerhand zum WC runterslidete (und ich das Glück hatte ihn perfekt mit der Kamera zu erwischen). So verbrachten wir von 9 bis 18 Uhr fast 10 Stunden stehend und Kilometer ablaufend an der Interbike und ich war ziemlich fix und fertig als wir endlich im Hotel ankamen und aufs Bett hängen konnten...


Las Vegas by Night
Doch lange ausruhen lag nicht drin, denn es war Freitagabend und unsere letzte Nacht in Las Vegas. So gings auf Schusters Rappen noch ein paar Kilometer mehr durch Casinos den Strip runter, Flippern, Videogames und was es sonst noch für unter 21-jährige im Angebot gab, denn ich durfte mit Josiah zwar durch die Casinos gehen - die Fussgängerzone in Las Vegas verläuft praktisch Mitten durch die Casinos :-) aber wir durften nirgends stehenbleiben wo es nach Geldspiel aussah. Doch auch so gibts noch genug zu sehen, die Wassershow des Bellagio, der Vulkan des Mirage etc. Kurz vor Mitternacht fielen wir dann beide todmüde ins Bett und waren ziemlich glücklich über den erfolgreichen Tag der so gestresst und genervt begonnen hatte.





Bootleg Canyon in Boulder City, NV
Samstag war für uns der Tag an dem wir weiterziehen wollten. Nicht bevor wir noch das Pool ausgecheckt hatten, denn wir waren ja Mitten in der Wüste und es war schon morgens um 9 Uhr sicher weit über 30 Grad. Später sollte das Thermometer dann noch auf über 40 Grad ansteigen und so war es nichts als Normal den Tag mit einem kühlen Bad im Pool zu beginnen. Erstaunlich war, dass bereits zu dieser "frühen" Morgenstunde die Serviererinnen mit "Cocktails, Cocktails" auf den Lippen zwischen den Gästen ihre Runden machten. Sich um 9 Uhr im Pool mit betrinken beginnen, thats Las Vegas und so wars dann auch ok für uns auszuchecken und ab in Richtung Wüste zu fahren. Unser nächstes Ziel hiess: Bootleg Canyon, der legendärste Biker-Ort im Umkreis von vielen hundert Kilometern. Hier geht alles was Rang und Namen hat hin zum downhillen, dirtjumpen, cross-country fahren, die coolsten Bike-Filme werden hier gedreht und wenn man irgendwas mit Bike am Hut hat muss man einfach hierhin. Nur nicht im Sommer... Bei über 40 Grad, mitten in der Wüste... Bootleg Canyon ist bekannt als der Ort an dem die Bike-Stars überwintern, vor November ist hier eigentlich nicht viel los aber was will man machen, wir waren hier, eine knappe Stunde von Boulder City und seinem Bootleg Canony entfernt, wir mussten einfach dort hin, schliesslich hatten wir ja extra unsere Bikes mitgenommen!


Wir waren relativ zackig in Boulder City, NV und so verbrachten wir den Rest des Tages mit Hoover Dam besichtigen, shoppen, in Cafes hängen und im lokalen Bike-Shop News einholen. Kurz vor Sonnenuntergang wagten wir uns dann in den Bootleg Canyon und drehten trotz Hitze unsere Runden auf den Schanzen, Wippen und North-Shores. Nach Sonnenuntergang wirds ziemlich rasch dunkel in der Wüste und wir verzogen uns auf den höchsten Punkt des Bootleg Canyons (was ja dann kein Canyon mehr ist sondern eher ein Hill) wo wir auf dem Kehrplatz unser Zelt aufschlugen. Atemberaubende Aussicht, auf der einen Seite der Blick in die dunkle Wüste, auf der anderen Seite volle Aussicht auf das Lichtermeer von Las Vegas. Leider waren wir nicht die einzigen die an diesem Samstagabend den Ausblick auf Las Vegas geniessen wollten und so teilten wir den Abend mit zwei, drei anderen Autos die dort entweder zum biersaufen oder zum rumknutschen raufkommen. Die Gruppe von Biersäufern war eigentlich ganz nett und gegen 22 Uhr verzogen sie sich auch wieder und wünschten uns eine gute Nacht, das Pärchen hingegen musste volle Pulle übelste Popmusik vom Autoradio dröhnen lassen (wohl um andere Geräusche zu übertönen?) und irgendwann ging Josiah ganz mutig hin (als feiger Vater schickte ich Josiah voraus und sagte ihm er solle es wieder mit seinem Hundeblick versuchen, der zieht bei Frauen immer...) und fragte ob sie nicht die Musik leiser machen könnte worauf sie "yeah sure" die Musik sogleich abstellten und wir schlafen konnten. Am nächsten Morgen war ich noch vor Sonnenaufgang um halb 6 oder so wach und siehe da, das Pärchen war noch immer da... Ob sie auch hier geschlafen hätten? Ah nein, geschlafen hätten sie nicht, vom Radio hören sei ihre Batterie leer geworden und sie hätten sich nicht getraut uns zu stören aber ob wir nicht ein Jumper-Kabel hätte um das Auto zu starten... *grins* Ja klar, und so verzogen sich die beiden währen Josiah und ich uns für unseren Bike-Morgen vorbereiteten. Im Bike-Shop meinten sie, dass man bis ca. 9 oder 10 Uhr fahren könne, deshalb ist es eine gute Idee schon um 6 Uhr loszulegen, denn die Temperaturen erst warm und noch nicht heiss sind.


Das taten wir dann auch und ich muss sagen, die Bike-Pisten dort sind wirklich 1A. Wir sausten den Canyon runter über Sand und Geröll, zwischen Kakteen und Sträuchern, so wie wir es bisher nur aus den Bike-Filmen kannten. Es war cool mal in einer völlig anderen Landschaft und auf einem völlig anderen Untergrund zu biken. Obwohl wir nicht die einzigen waren die an diesem frühen Sonntag Morgen dort die Pisten runterbikten, waren wir praktisch die einzigen die auf den Downhill-Pisten fuhren, fast alle anderen drehten ausschliesslich auf den technisch weniger anspruchsvollen Cross Country Pisten ihre runden. Und ich muss sagen, nicht zu unrecht, denn obwohl wir uns fast nur mit den Intermediate-Pisten begnügten, waren diese teilweise fast schon das Limit für mich. Und trotz Vollpanzermontur will man auf diesen spitzigen Steinen nicht umfallen... Fazit: Cool und anspruchsvoll, hier müssen wir im Winter nochmals herkommen!





Ab in die Berge: Big Bear
Nachdem wir das Glück hatten zweimal einen "guten Engel" zu finden der uns wieder rauffuhr war dann um 10 Uhr Schluss. Zu heiss, zu viel Sonne, zu extrem. Wir packten unser Zeugs ein und waren uns nicht einig wie es weitergehen sollte, denn Josiah hatte - jüdischer Feiertag sei Dank - am Montag auch noch frei. Hierbleiben oder schon zurück Richtung LA? Falls wir hier bleiben, was machen den ganzen Tag? Falls wir Richtung LA fahren, wo hin? Schlussendlich fuhren wir zurück nach LA und bogen bei "Lucerne Valley" ab in die Berge nach Big Bear. Diesen Winterskiort hatte ich bei meinem letzten Kalifornienaufenthalt vor 15 Jahren auch schon besucht und war damals begeistert von der angenehm kühlen Luft, den bewaldeten Hügeln und dem schönen See. Wir fuhren einen Tag lang durch die Wüste und erreichten gegen Abend die Berge um dann im Dunkeln am Big Bear Lake endlich unser Zelt aufschlagen zu können und unsere Subway-Sandwiche nun leicht fröstelnd - krass diese Temperaturgegensätze! - im Schlafsack auf 2000m zu verschlingen.





Am Montag Morgen gabs dann wieder Diskussionen, denn die Bahn transportiert zwar Bikes, ist aber in der Zwischensaison nur Samstag/Sonntag geöffnet und heute ware ja Montag. So überredete ich Josiah schliesslich zu einer Cross Country Tour und obwohl (oder gerade weil?) ich mich in den Distanzen verschätzte und wir die ursprünglich geplante Tour dann abkürzen mussten, wars super schön in den Wäldern von Big Bear. Hätte es nicht schon geschneit dort anfangs Oktober, wäre ich zu gerne nochmals dorthin gegangen zum biken, denn Trails sind flowig und machen unglaublich Spass. Kein gehacke wie man es von den Alpen kennt sondern man "fliesst" (flow...) wirklich die Hänge runter, von einer Kurve zur nächsten, zwischen den Nadelbäumen hindurch mit viel Speed über den sandigen Boden fliegend. Super!





Tja und das wars dann auch schon von unserem (Inter-)Bike-Wochenende, denn wir mussten ja noch durch ganz Los Angeles und von der Hinreise hatte ich noch böse Erinnerungen.


Weitere Photos habe ich auf Facebook publiziert (nein man braucht kein Facebook-Account um die Fotos zu sehen, einfach auf den Link klicken!):
Und hier noch Videos von Josiah im Bootleg Canyon: